Der Autor
Ralf Fischer, Managing Director DXC Technology Deutschland, Director Public Sector DACH
Industrie-Spotlights | 6. November 2024
Die deutsche Verwaltung steht angesichts der tiefgreifenden digitalen Transformation an einem kritischen Punkt. Fachkräftemangel, komplexe föderale Strukturen und kultureller Wandel bedingt durch Digitalisierung und Generationswechsel sind nur einige der drängendsten Herausforderungen, die in den nächsten 10 Jahren bewältigt werden müssen.
Wir benötigen eine öffentliche Verwaltung, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird und sicherstellt, dass der Staat dem Bürger dient und nicht umgekehrt. Dabei müssen Verwaltungsleistungen einfach und schnell für den Bürger nutzbar sein sowie bürokratischer Wahnsinn vermieden werden. Wie der aktuelle eGovernment Monitor der Initiative D21 zeigt, erwarten 64 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass der Staat moderne Technologie für eine effizientere Verwaltung einsetzt, was wiederum das Vertrauen in den Staat stärken würde.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) hat gezeigt, dass sich die Probleme der Verwaltungsdigitalisierung nicht allein mit einem Haushaltstitel lösen lassen. Ein „Upgrade für ein digitales Deutschland“ nannte Bundesinnenministerin Nancy Faeser das im Frühjahr verabschiedete Onlinezugangsgesetz 2.0 - große Versprechen, viel Ernüchterung. Die Länder möchten mehr Einfluss, den Kommunen fehlen die finanziellen Mittel.
Als langjähriger Digitalisierungspartner von Bund und Ländern erleben wir dies tagtäglich. In Kooperation mit der Dataport haben wir bislang knapp 20 verschiedene Online-Dienste entwickelt, darunter auch der Online-Dienst zur Beantragung und Verlängerung eines Parkausweises in Hamburg. Prinzipiell könnten diese Dienste auch in anderen Bundesländern nachgenutzt werden – doch stattdessen entwickelt jedes Bundesland, teilweise sogar jede Kommune, eigene Lösungen. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des OZG besteht deshalb weiterhin großer Modernisierungsbedarf. Nur rund 150 Bundes-, Länder- und kommunale Onlineleistungen wurden umgesetzt, rund 400 Verfahren sind immer noch „offen“
OZG-Umsetzung ist ein großer Pfeiler der Verwaltungsmodernisierung, doch zur Modernisierung gehört noch viel mehr als OZG. Dazu zählt auch der Einsatz von KI und Prozess-Automatisierung in der Verwaltung, Registermodernisierung und die kritische Hinterfragung bisheriger Strukturen und föderaler Zuständigkeiten.
Trotz der Dringlichkeit der Verwaltungsdigitalisierung werden die Haushaltsmittel 2025 für diesen Bereich drastisch reduziert. Nur rund 1% des Bundeshaushalts (ca. 5 Mrd. Euro) stehen für die Verwaltungsmodernisierung zur Verfügung. Dazu kommen ca. 20 Mrd. Euro, die für die Modernisierung der Länder und Kommunen eingeplant sind. Das ist eindeutig zu wenig.
In diesem Papier teilen wir daher praxisnahe politische Impulse und verdeutlichen, an welche Stellschrauben nach unserer Erfahrung gedreht werden muss, um die Verwaltungsdigitalisierung erfolgreich voranzubringen.
Dabei haben wir uns folgende Fragen gestellt:
Finanzieller Aspekt: Bei geringen Haushaltsmitteln, wo muss der politische Fokus gelegt werden, um die größtmögliche Wirkung in der Umsetzung zu erzielen?
Struktureller Aspekt: Wie müssten föderale Strukturen und Zuständigkeiten geändert werden, ohne dass es einer weitgreifenden Verfassungsänderung bedarf? Wie kann Zentralisierung die Effizienz in der öffentlichen Verwaltung stärken?
Technologischer Aspekt: Welche Technologien sind erprobt und anschlussfähig für eine Bandbreite von Behörden von Kommunal- bis Bundesebene und sollten in der Entwicklung und im Roll-Out deshalb gefördert werden?
Komplexe föderale Strukturen behindern die effektive Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen – der Grundpfeiler für eine Ebenen übergreifende Digitalisierung. IT-Infrastrukturen werden mehrfach für identische Aufgaben entwickelt, welche die Haushalte belasten und Ressourcen binden.
Dies unterstreicht: Bei der Digitalisierung gerät der Föderalismus an seine Grenzen.
Ein zentrales Digitalministerium auf Bundesebene, das alle digitalen Initiativen bündelt, die bisher über mehrere Häuser verteilt umgesetzt wurden, würde zu einer Fokussierung der Vorhaben führen. Einzelne Bundesländer wie Bayern haben es vorgemacht. So konnten Silo-Lösungen vermieden und Schnittstellen sowie Synergien zwischen Vorhaben besser identifiziert und genutzt werden. Dies spart Kosten, beschleunigt Prozesse und schafft durch Standards bundesweit verlässliche Rahmenbedingungen.
Die Verantwortung dieses Ministeriums liegt dann in der Definition einheitlicher Standards, der Bereitstellung von wiederverwendbaren IT-Basiskomponenten für effiziente Lösungen sowie der Schaffung von offenen Schnittstellen, um die Integration anderer Systeme sicherzustellen. Hierfür ist es erforderlich, diesem Bundesministerium die Finanzierungsverantwortung für die Bereitstellung der verschiedenen Komponenten zu übertragen.
Digitale Register bilden die zentrale Datenquelle für alle Anwendungen und damit die Basis für die digitale Transformation der föderalen Verwaltung. Auch die Bürger:innen wünschen sich eine zentrale Plattform und die Möglichkeit der Personalisierung, damit nicht immer alle persönlichen Daten eingegeben werden müssen. Das Registermodernisierungsgesetz von 2021 hat diesbezüglich seine Wirkung verfehlt. Immer noch existieren ca. 375 Register, die allesamt mit identischen persönlichen Informationen der Bürger:innen “versorgt” werden müssen.
Gemäß dem Once-Only-Prinzip sollen Daten nur einmal erfasst werden, um diese anschließend für verschiedene Verwaltungsprozesse verwenden zu können. Das Nationale Once-Only-Technical-Systems (NOOTS) kann den Grundstein für eine effektive Digitalisierung des Verwaltungssystems bilden.
Aktuell sind wir bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gezwungen, mit stark fragmentierten und nicht vernetzten Datenbeständen zu arbeiten. Eine Vernetzung der Register ist essenziell, um bestehende Datensätze ressortübergreifend nutzen zu können und dem Once-Only-Prinzip gerecht zu werden.
Eine solche Vernetzung kann durch den Einsatz von nationalen souveränen Clouds gelingen. Hybrid- und Multi-Cloud-Modelle bieten hier insbesondere für moderne Registeranwendungen hohe Potenziale, denn sie gewährleisten ein hohes Maß an Sicherheit und digitaler Souveränität. Ein Beispiel hierfür ist die Umsetzung der Deutsche Verwaltungscloud-Strategie (DVS).
Laut der diesjährigen Erhebung des „dbb Beamtenbund und Tarifunion“ sind 570.000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung unbesetzt – Tendenz bis 2028 mit zu 1,32 Mio. fehlende Beschäftigte steigend. Um dem demografischen Wandel zu begegnen, wird die reine Front-End Digitalisierung von Verwaltungsleistungen definitiv nicht ausreichen.
Es bedarf einer medienbruchfreien Ende-zu-Ende-Digitalisierung durch eine (Teil-) Automatisierung im Verwaltungsbackend, das heißt, das Bearbeiten von Anträgen und Formularen. Hier können digitale Software-Roboter repetitive und regelbasierte Prozesse – wie das Bearbeiten von Anträgen und Formularen - schneller und effizienter durchführen.
Mit Hilfe des Einsatzes von Low-Code-Plattformen könnten Verwaltungsangestellte selbst Teil des Digitalisierungsprozesses werden, indem sie selbständig Prozesse digitalisieren, um ihre tägliche Arbeit zu verbessern. Die Steigerung der digitalen Kompetenz der Mitarbeiter:innen ist eine Grundvoraussetzung und muss zwingend mitgedacht werden.
In Verbindung mit RPA-Lösungen kann eine KI unterstützen, Routineaufgaben in der Verwaltung effizienter zu gestalten. So können sich Verwaltungsmitarbeiter:innen auf die Bearbeitung von komplexeren Aufgaben fokussieren. Im Bereich der Inneren Sicherheit kommen derartige Systeme schon zum Einsatz, um Muster und Anomalien in großen Datenbeständen zu erkennen. Dieses Modell kann mit wenig Aufwand auch in den Rest der öffentlichen Verwaltung skaliert werden.
Erste konkrete und bereits umgesetzte Ansätze in der öffentlichen Verwaltung gibt es schon in einigen Bundesländern sowie in Kommunen, die KI im Bereich der Dokumentenanalyse einsetzen, um so Posteingänge zu automatisieren.
Dabei muss das Thema Datenschutz und -sicherheit umfassend berücksichtigt werden. Der Einsatz von KI muss nicht nur DSGVO-konform sein, sondern auch Auflagen aus sich entwickelnder Gesetzgebung, wie der nationalen Umsetzung des AI Acts erfüllen.
DXC Technology ist ein multinationales IT-Beratungsunternehmen mit über 130.000 Mitarbeiter:innen in über 60 Ländern weltweit – davon arbeiten in Deutschland 1.800 Mitarbeiter:innen verteilt auf 8 Standorte. Unser Unternehmen ist ein international führender End-to-end IT-Serviceanbieter. Wir unterstützen unsere Kunden, ihre geschäftskritischen IT-Systeme zu betreiben und zu modernisieren, Datenarchitekturen zu optimieren und sorgen für Sicherheit und Skalierbarkeit in öffentlichen, privaten und hybriden Clouds. Zu unseren Kunden zählen die weltweit größten Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors – auch in Deutschland.
Neben vielen anderen Projekten, trug DXC im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens (NRW) maßgeblich zum Aufbau der E-Verwaltungsarbeit durch die erfolgreiche Einführung eines elektronischen Aktensystems (e-Akte) bei. Dies steht nun an mehr als 55.000 Arbeitsplätzen in der Landesverwaltung NRWs zur Verfügung. Zum Einsatz kommt hierbei auch die eigens von DXC entwickelte Lösung DXC WebScan®, die das Digitalisieren von Dokumenten in der Verwaltung rechtssicher und effizient gestaltet.
Möchten Sie zu unseren Impulsen persönlich sprechen oder haben Sie Fragen?
Dann kontaktieren Sie gerne:
Ralf Fischer, Managing Director DXC Technology Deutschland, Director Public Sector DACH